Mehr als vier Jahrzehnte sind vergangen, seit ich den Magdalenengrund verlassen musste. Das Jahr 1984 markierte das Ende meiner Kindheit in der Magdalenenstraße 10 – eine Zeit, die durch schwierige Familienverhältnisse geprägt war und schließlich in mehreren, erzwungenen Umzügen mündete.
1985 musste ich den Bezirk Mariahilf schließlich endgültig als Wohnort aufgeben. Heute, nach bald 42 Jahren, erwacht mein Interesse an diesem Viertel neu, geleitet von historischen Recherchen, persönlichen Erinnerungen und meinem fotografischen Interesse.
Der Magdalenengrund – umgangssprachlich lange „Ratzenstadl“ genannt – und der Rest des Bezirks Mariahilf rücken nach all der Zeit wieder näher. Meine Erkundungen bewegen sich dabei entlang einer Zeitachse: von der fernen Vergangenheit über die eigene Rückschau bis hin zur Gegenwart. Historische Aufnahmen, Fotografien aus dem Archiv meines verstorbenen Onkels sowie eigene ältere und aktuelle Bilder dienen mir dabei als Vehikel für Zeitreisen durch die Stadtgeschichte und meine eigenen Erinnerungen.
Diese Auseinandersetzung ist irgendwie mit einem anderen Projekt von mir verbunden: den Wienfluss.Erinnerungen. Da der 6. Bezirk an seinen Grenzen zum 4. und 5. Bezirk direkt vom Wienfluss flankiert wird – unterhalb des Nasch- und Flohmarkts noch verborgen, ab der Kettenbrückengasse in weiten Abschnitten offen einsehbar –, schließt sich hier ein wenig der Kreis. Das Projekt Wienfluss.Erinnerungen hat mich, ausgehend von Hütteldorf im Westen Wiens, nun in das Grätzl „weitergespült“, in dem ich als Kind bis zum ersten Jahr als Teenager lebte.
Es stellt sich die Frage, warum man nach 42 Jahren damit beginnt, sich mit einem Ort zu beschäftigen, den man lange nicht mehr beachtet hatte und der in familiärer Hinsicht mit wenig guten Erinnerungen verbunden ist? Ein großer Impuls dazu sind sicherlich die Vorbereitungen, sowie die Realisierung der Ausstellung "Erinnerung an gestern" mit fotografischen Arbeiten von Walter Bernhardt gewesen. Gerade seine Arbeiten rund um den Naschmarkt regten mich doch sehr an, den Bezirk, das Grätzl in dem ich meine ersten 14 Lebensjahre verbrachte wieder genauer in Augenschein zu nehmen.
Die Fotografie ist für mich dabei das Mittel der Wahl, um diese Zeitsprünge zu verankern. Doch wie schon bei den Wienfluss.Erinnerungen gilt für mich auch hier: Bilder allein sind nicht genug. Das Gedankliche in Textform festzuhalten, ist gerade bei diesen sehr persönlichen Zugängen ein wesentlicher Teil der Beschäftigung mit diesem Thema.
Es ist ein persönliches Projekt – ganz so, wie ich der Meinung bin, dass alle fotografischen Projekte immer persönlicher Natur sein sollten. Zeitsprünge zwischen dem Heute und dem Gestern, gespickt mit persönlichen und historischen Daten, zeigen mir und Interessierten, wo ich herkomme. Sie geben Einblicke in Vergangenes und Zeitgenössisches aus Mariahilf, dem Magdalenengrund und dem, was früher einmal als das ‚Ratzenstadl‘ bezeichnet wurde.
Demnächst im Blog: Zwischen Gestern und Heute #01: Am Anfang war die Zehn